Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hinkt hinterher. Und laut dem aktuellen Sozialmonitoring der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt wird sich das so schnell wohl nicht ändern.
In insgesamt 435 Kiezen hat der Senat Arbeits- und Langzeitarbeitslosigkeit, Transferbezug und Kinderarmut – die Anzahl der Kinder in Hartz-IV-Haushalten – ausgewertet und daraus errechnet, wie hoch die “Soziale Ungleichheit” ist. Seit 18 Jahren tut er das schon. 2014 hatten von den 435 untersuchten Berliner Kiezen nur noch 43, “kumulierte soziale Problemlagen”, statt 51, wie noch ein Jahr zuvor. 62 Prozent der Kieze haben einen mittleren und 18 Prozent einen hohen sozialen Statusindex, waren also sozial ziemlich gerecht.
Besonders sozial benachteiligt sind unverändert der Askanische Platz, der Mehring- und der Moritzplatz sowie der Wassertor- und der Oranienplatz. Die wenigen “Verbesserungen”, die es gibt, beruhen auf Verdrängung der Bevölkerung und sind wohl eher “Verschlimmbesserungen”.
In Friedrichshain-Kreuzberg etwa geht es auf der Stralauer Halbinsel mit nur 2,8 Prozent Arbeitslosigkeit und 4,5 Prozent Kinderarmut ausgesprochen “sozial gleich” zu. Auch in den beiden bevölkerungsreichsten Kiezen Boxhagener Platz und Samariterviertel sieht es mit rund 6 bzw. 7,5 Prozent Arbeitslosigkeit und rund 14 Prozent bzw. 17,5 Prozent Kinderarmut verhältnismäßig gut aus. Im Gesamtbezirk aber, mit rund 276.000 Einwohnern in 26 Kiezen, liegt die Arbeitslosigkeit bei knapp 9 Prozent, 0,8 Prozent höher als im Berliner Schnitt – und der ist schon der schlechteste unter den deutschen Bundesländern.
Noch mehr Arbeitslose haben nur die Bezirke Mitte, Spandau, Neukölln und Marzahn-Hellersdorf. Trotzdem ist ein Kreuzberger Kiez Negativ-Spitzenreiter in der Bilanz: Der Moritzplatz hat mit 15.600 Menschen die meisten Einwohnenden und mit 17 Prozent auch die meisten Arbeitslosen. 72 Prozent der Kinder leben in Hartz-IV-Haushalten. Knapp dahinter folgen der Mehringplatz und der Oranienplatz. Damit wiesen die drei Kieze einen “sehr niedrigen Status und eine stabile Dynamik” auf. Der Askanische Platz und der Wassertorplatz gelten ebenfalls als Gebiete mit sehr niedrigem Status, verbesserten sich aber in der Bilanz um eine Kategorie.
Teilweise gingen solche Verbesserungen nämlich auf Entmietung zurück, so der Senat: Einkommensschwache Familien zogen aus, bessergestellte ein. Eine solche Verdrängung ist nichts Neues, die Brieftaschen wachsen nicht in gleichem Maße wie die Mieten. Laut dem Wohnmarktreport des Immobilienberatungsunternehmens CBRE nimmt Friedrichshain-Kreuzberg bei den inserierten Mieten in Berlin den Spitzenplatz ein. Um 5,9 Prozent stiegen diese zuletzt. In allen Postleitzahlengebieten des Bezirks liegt der Median bei oder über 10 Euro. Der Görlitzer Park gehört mit 11,70 Euro statistisch zu den fünf teuersten Gebieten. Die berlinweit höchste Mietsteigerung erlebte die Prinzenstraße mit 36 Prozent. Auch bislang günstige Gegenden haben sich verteuert.
Damit sinkt auch die Kaufkraft. Insgesamt hat jeder Berliner 2016 im Schnitt 19.900 Euro im Jahr zur Verfügung. Als einzige der großen Städte Deutschlands liegt die Kaufkraft damit unter dem deutschen Bundesdurchschnitt. Innerhalb von Berlin wiederum gilt Friedrichshain-Kreuzberg sicher nicht als Stadtteil der Reichen, die mittlere Kaufkraft ist hier vergleichsweise niedrig, insbesondere in den Friedrichshainer Gebieten um den Ostbahnhof und die Samariterstraße.
Politik und Wirtschaft preisen derweil den Aufschwung an: In den vergangenen Jahren wurden in der Bundeshauptstadt 120.000 sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen, häufig allerdings in Branchen, in denen die Beschäftigten wenig verdienen: Denn die Wirtschaftsstruktur Berlins ist im Kern dienstleistungsorientiert. Den mit Abstand größten Teil der IHK-Mitglieder stellen die Dienstleistungsunternehmen mit zusammen rund 42 Prozent, gefolgt vom Groß- und Einzelhandel. Hier, wie auch in der Kreativwirtschaft und bei Informations- und Kommunikationsdienstleistern gibt es noch kräftig Jobs abzugreifen. Die Anzahl der Handwerksbetriebe hingegen ging im Bezirk zuletzt sogar um 5,3 Prozent auf 1.949 Betriebe zurück.
Der Senat versucht weiter, mit Förderprogrammen benachteiligte Gebiete aufzuwerten. Kürzlich wurde das Einzugsgebiet des QM Wassertorplatz bis zur Stallschreiberstraße erweitert. Immerhin spielen die Ergebnisse des Monitorings bei der Finanzmittelzuteilung des Senats eine Rolle und lassen auf einen Wertausgleich zwischen den Bezirken und mehr Aufmerksamkeit für das Thema hoffen.
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