Kurzgeschichten aus dem Wilden Osten

Der Wilde Osten: CDU vs Internet – Wir nehmen in 30 Jahren Kontakt auf

Das Internet – unendliche Weiten. Und was diese Zeit angeht, zu weit für einige Köpfchen. Sternzeit … Ach, was soll der Quatsch?! Wir schreiben das Jahr des Herrn, Anno Domini 2001. Wir befinden uns auf der Schwelle zur digitalen Revolution. Die KI beherrscht das abendliche Wohnzimmer. Nein, nicht Alexa, sondern in Form einer blutrünstigen Kreatur mit gebrochener Stimme, die über den Röhrenfernseher flimmert. (Konnte ja niemand wissen, dass die Sprache eines der ersten Dinge ist, welche die KI beherrscht.) Das alltägliche Leben hingegen musste ohne Fortschritt auskommen.

Internet?

Ja, das habe ich schon mal gehört! Das hat doch was mit Computern zu tun, wa?

cdu internet

Und würde man ein Addendum für die vorliegende – sagen wir ‚Abhandlung‘ – finden wollen, dann könnte man in nonkontextualer Anlehnung an die beiden Filme sagen: 2001: Wir nehmen den Kontakt in 30 Jahren auf – also vielleicht. Und dieses ‚vielleicht‘ bezieht sich auf den Umstand, dass es auch nur eine Legislaturperiode gibt, in der nicht zu viele Idiotische* dem Konservatismus Auftrieb geben. Ich weiß schon, 2001 war gerade Gerhard Schröder an der Macht. Das war vielleicht nicht die CDU, aber dennoch fühlte es sich stark danach an. *Und Idiot meine ich natürlich nicht im beleidigenden Sinne, sondern ich beziehe mich auf die ursprüngliche, die griechische Bezeichnung für Menschen, die man heutzutage als Egoisten bezeichnen würde; was selbstverständlich der lateinische Begriff dafür ist. Gut, der Suffix selbst ist wieder griechisch.

All das Wissen, das nur niemanden interessiert, steht heute allen zur Verfügung, die einen Zugang zum Internet vorweisen können. Aber am Anfang dieses Jahrtausends stand das analoge Leben und das Wort analog bedeutete damals vor allem vergleichend. Dann hatte einer plötzlich Internet und sagte: „Jetzt, was willst Du machen? Hier ist das www – world wide web!“ Er öffnete einen Browser, doch mir fiel partout nichts ein.

Die Verheißung der Glückseligkeit und der dunkle Lord Kohl mit seinem Roboterkiller

Es war eine Zeit der Hilflosigkeit, der verbalen Informationsübertragung, der stationären Telekommunikation und dem Glauben an eine glorreiche Zukunft mit Robotern, weniger Arbeit und Wohlstand für alle Menschen in der ganzen Welt. Wie dumm das heute klingt, so naiv, so hinterwäldlerisch, so 90er Jahre Style. Doch zum Glück kam dann der Neoliberalismus alias Privatisierung und hat uns allen gezeigt, wie man eine Gesellschaft dazu bringt, dass die Faschisten zweistellige Prozentzahlen erreichen. Und dank der Drohnen, der anlaufenden Kriegsmaschinerie kommen wir den Horrorfilm-KIs allmählich näher. Auch Skynet, die KI aus Terminator, ist als Marketingagentur, als Expressdienst und derlei mehr Realität geworden.

Der Wortführer und Wegbereiter dieser spätkapitalistischen Privatisierungswelle war Helmut Kohl – längst bevor Gerhard Schröder dem inzwischen dahinsiechenden Sozialstaat den vergifteten Dolch in den Rücken gerammt hat. Und Kohl wollte diese Zukunft gegen Privatisierung eintauschen und was die Digitalisierung anbelangt, tauschte er die Zukunft gegen Privatfernsehen. Endlich richtige Filme und nicht die ewig gleichen Streifen im Öffentlich-Rechtlichen, die die konservative Moralvorstellung vorgab.

Wehe dem modernen Osten! Da hatte man mitgedacht! Verhängnisvoll! Vermeintlich erkannte man die Zeichen der Zeit, aber sie konnten es nicht wissen. Woher auch? Sie wurden in jenen Tagen nur kurz von der CDU regiert. Was ich damit meine? Wir in der Karl-Marx-Allee hatten bereits Glasfaser vor der Tür. Da kieckste, wa?!

Auf der Suche nach dem Anschluss an das Netz war ISDN der privaten Telekom das höchste der Gefühle. ISDN bedeutete sogar zwei Telefonanschlüsse, aber es konnte nur einer telefonieren. Und mit ISDN raste man mit unglaublichen 64 kbit/s durch das Netz. DSL ist etwa das 250-fache mit 16 mbit/s und Glasfaser legt die Basis für 10 gbit/s. Der Unterschied von ISDN zum künftigen Glasfaser ist eine Multiplikation im siebenstelligen Bereich. Aber dank Kohl gab es Kabel-TV mit DSL, sodass ich im Privatfernsehen allmählich Star Trek schauen konnte, während ich nebenher surfen konnte. Das Wort wurde damals noch in den Nachrichten erklärt. Dieses Surfen erfolgte aber längst nicht mit den Geschwindigkeiten des Glasfasers, die in greifbare Nähe gerückt sind. Jetzt kommts, die Glasfaserzukunft – über 30 Jahre später. Die ersten Gräben sind gezogen, die ersten Kabel sind verbuddelt. Das ist nur noch eine Frage von Jahren. Da darf dann bloß nicht eine weitere CDU-Regierung… Oh je! Braucht es dafür eigentlich nur eine Spende, um so eine offensichtliche Konsequenz zu verhindern? So eine Abwrackprämie wäre doch mal wieder dran, oder?

Rückschritt – Dein Name ist CDU

Glasfaser sei die Zukunft, so diese nichts ahnenden Fachleute vor 30 Jahren. Rückblickend hätte man die rückschrittliche CDU-Kompetenz in der Wirtschaftspolitik sehen können. Könnte man immer noch! Eine Kostprobe? Fachkräfte durch Einwanderung. Noch eine? Fundamentierung fossiler Brennstoffe mit Vorzug aus Russland. Und last but sicherlich not least: Beim Internetausbau und Digitalisierung ist sogar China an Deutschland vorbeigezogen. Dafür haben wir jetzt alle Kabel-TV und statt E-Autos fahren wir Verbrenner. Auch hier bewies man echtes Zukunftsgespür. Wie bemerkte es kürzlich ein älterer Herr: „Det jute Öl eenfach verbrennen. Det is so n juter Werkstoff, weeste!“

Die haben auch immer so ein Händchen, sogar bei der Sprache. Heute ein Genderverbot und damals forderte eine Angela Merkel, man möge statt Homepage doch Heimseite sagen. Und selbst 2013 entblödete sich die Kanzlerin nicht mit dem denkwürdigen Satz, es sei eben Neuland. Diese digitale Weitsicht. Deshalb ist sie die Kanzlerin gewesen, verstehste? Ein voller Erfolg die jüngste Entwicklung Deutschlands unter CDU-Regierungen – aus Russlands Perspektive selbstverständlich.

Die Glasfaserleitungen lagen also entlang der Karl-Marx-Allee, aber der Anschluss zum Haus war irgendwie nicht kompatibel. Gerüchten nach, sollte Berlincom noch Kupferleitungen entlang der Karl-Marx-Allee verlegt haben. Als ich dies vernahm, leuchteten meine Augen. Könnte es wirklich wahr werden, dass ich DSL erhalten könnte. Das schnellste Internet, das damals hierzulande überhaupt möglich war. Die Werbeagenturen trommelten für ein Wort. Einen Namen, der in aller Munde war. Es erbarmte sich unser der private Anbieter Hansenet und sein pekunärgebornes Kind hieß: Alice. Ist diese Alice die Mutter von Alexa?

Also rauf aufs Kabel-TV. Das war Fortschritt: 30 Kanäle durch zu zappen, um dann doch in die Videothek zu gehen! Und abermals war das Glück mir böse, denn der Anbieter war dermaßen schlecht. Ich sage Dir, einfach super dieser Wettbewerb und die privaten Anbieter. Die Hölle im Internethimmel. Aber wem erzähl ich das? Was zahlst Du für 2, 4, 10 GB mobiles Datenvolumen? Ha! Schon mal im Ausland gewesen?

Wegen der vielen Filme, die am Anfang des Privatfernsehens standen, wuchs mir das Kabelfernsehen ans Herz. Und all die dystopischen Filme und die intellektuellen Unkenrufe pflastern als niedergetrampelte Ideen den Weg des Fernsehens zu den heutigen Trash-Konzepten, deren Produktion unschlagbar günstig sind. Wirst Du auch die KI-generierten Filme und Serien ansehen, die bald den Markt schwemmen? Oder wirst Du selbst eine Film-KI besitzen, mit welcher Du das abendliche Displayprogramm bestimmst? „Computer! Generiere mir einen Film über die Zeit in Ost-Berlin etwa 10 Jahre nach dem Mauerfall.“ Dann werden meine Texte hier endlich verfilmt! Ob da der kulturindustrielle Ähnlichkeitsritterschlag bevorsteht?

Kommt ein Anwalt ins Internet und sagt: Eine Abmahnung!

Und wie das jetzt alles reguliert ist. Fühlst Du Dich auch so sicher mit der Auskunft auf jeder einzelnen Website über den Datenschutz. Aber der Schutz verlangsamt mein Internetverhalten ja schon etwas. Ich dachte so, im Jahr 2024 hab ich voll schnelles Internet. Aber jetzt muss ich dafür alle 500 KBit anhalten und verklausuliertes Anwaltsgedöns lesen. Die Datenschutzhinweise kosten mich jedes Mal etwa eine halbe Stunde. Ja, ich lese auch die AGB beim Einkauf und die Gebrauchsanweisungen der Geräte. Du glaubst nicht, was Du verpasst!

Am Anfang war das Internet noch roh und voller Fallstricke. Nein, keine Internetviren. Kein Fishing, kein Identitätsdiebstahl. Man konnte aber einfach einen Song oder einen Film herunterladen. Was mit Napster begann, klang, als spielte jemand der Musikindustrie das Lied vom Tod. (Müsste das nicht das Lied des Todes heißen?) Selbstverständlich kann man heute immer noch alles umsonst hören, aber das Geld dafür bekommt jetzt Google und Co. Dafür hat man doch Verständnis! Das Internet war nämlich etwas Freies, etwas Idealistischesund damit dem konservativen Geist suspekt. Dass man damit eines Tages so viel Geld machen wird, glaubte man damals auch schon. Man hatte nur keine Vorstellung wie. Aber man glaubte denen, die mehr verhießen. Da wurden Rekordsummen im ‚Neuen Markt‘ investiert! Was glaubst Du, ist passiert? Eines Tages platzte diese Blase. Und dann war es weg. Pfutsch. Daher heißt das ja spekulieren. Das will man derzeit mit der Rente machen. Super, wa?!

Nein, das Internet war so kriminell wie heute das Dark Net. Und schon zuckt der Eine oder die Andere zusammen. Das Dark Net. Uiuiuiuiii! Nochmal? Das Dark Net! Ich höre jetzt auf, bevor Du einen Herzinfarkt bekommst. Übrigens, das Dark Net ist gar nicht illegal, es ist nur die Unkenntlichmachung der Herkunft. Das ist gerade in Deutschland … Was hast Du? Oh je, habe ich das Dark Net einmal zu oft erwähnt? Schon wieder? Dann stell ich jetzt ein Schild auf und alles ist gut.

Der Autor ist nicht verantwortlich für gesundheitliche Beschwerden jeglicher Art.

Telefon klingelt. Anwaltlicher Hinweis. Ich bestätige.

Trigger-Warnung für Herzschwache: Darknetbezogene Begriffe könnten Komplikationen hervorrufen. Lesen Sie diesen Text nicht, wenn Sie darunter leiden.

Selbst schuld, ich habe gewarnt und bin damit versicherungstechnisch fein raus! Wieso? Ich habe es doch mitten im Text platziert! Noch zentraler geht ja gar nicht!

Diese Regulierung. Einfach genial und sinnvoll. Früher sind die Anwälte wie Cowboys oder Kopfgeldjäger durch die digitale Prärie geritten. Statt Kugeln gab es Abmahnbriefe. Der erste juristische Eingriff in das Internet. Obwohl, das mit dem Impressum gab es schon vorher. Und dieser Haftungsausschluss, der heute noch durch die Unterseiten geistert. Aber nun kamen die Anwaltsbriefe. Das Internet hatte seine Unschuld verloren. Die edlen Ritter, gepudert mit dem feinsten Stoff, brauchten unbedingt einen neuen Sportwagen. He, wenn Porsche-Fahrer einen kleinen Schwanz haben, was für `nen Prügel hat dann jemand, der gar kein Auto besitzt? Bei diesen Abmahnungen kamen plötzlich Summen zusammen, die beeindruckten und vielleicht Begehrlichkeiten geweckt haben. Funfact: Zwischen 1990 und 2000 hat sich die Zahl der Anwält*innen um 83,5 Prozent erhöht. Das hat absolut keinen Zusammenhang und ich weiß nicht, wie ich darauf komme.

Ich konnte kein Jura studieren, weil ich in die Schlange der frisch privatisierten Telekom geriet und gefressen wurde. Es gab kein Entrinnen, wolltest Du einen Weg zur Telekommunikation erhalten! Die einstige Behörde versammelte längere Schlangen, als es Bananen in der DDR verursachten. Und jeden Monat der bange Blick auf die Abrechnung. Bis dann die Schockwellen der Handytelefonate auf der Rechnung auftauchten.

Kniet und danket der CDU für all die Wunder der Verhinderung von Fortschritt.

Diese Weitsicht. Das war doch kein Ausrutscher. Ich bitte Sie. Meine Damen und Herren, die Digitalisierung Deutschlands ist ein Kunstwerk der Senilität. Es reiht sich, und man mag ein Schelm sein, von Korruption zu sprechen, Fehlentscheidungen an Fehlentscheidung zum Wohle weniger Vermögender und der eigenen Mischpoke. Aber ich sehe natürlich, genau wie die anderen politischen Individuen hierzulande keinen Zusammenhang zwischen Vorfällen wie dem Maskenskandal, der Scheuer-Maut, der Spendenaffäre, illegalen Waffengeschäften, der Amthor-Affäre, illegalen Parteispenden, Cum-Ex, der Amigo-Affäre oder den Berliner Immobilienspenden und dem gleichortigen Bankenskandal. Hast Du es gemerkt? Ja? Alles Fälle der CDU / CSU. Zufall? Dann glaubst Du auch an eine Jungfräulichkeit der Christenmutter oder dass die Erde flach und innen hohl ist wie … Wie fühlt sich das paradoxe Universum eigentlich an? Wie kann man von der Sprachpolizei reden und ein Genderverbot erwirken? Wie kann man vom Kapital leben und den anderen Faulheit vorwerfen? Wie schafft man das überhaupt? Als würde man mit geschwollener Brust behaupten, 2+2 ist 1! Vielleicht weil niemand lacht, wenn die CDU ihr schwarzes Maul aufmacht.

Eine schließende Bemerkung: In manchen Sprachen außerhalb Deutschlands – das ist aber reine Spekulation – gibt es gar kein Wort für Funkloch. Das könnte – ähnlich wie Hofbräuhaus, Blitzkrieg und Autobahn – zu einem Exportschlager werden – dieses Mal mit Schenkelklopfcharakter. Also Leute, dankt es der CDU mit einem Kreuz an der anderen Stelle. Nein! Weiter nach links!

Entdecke die ganze Welt des Wilden Ostens. Der Überblick:

Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren. Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren.Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren.Wilder Osten. Kolumne über OstBerlin in den 90er Jahren.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ads Blocker Image Powered by Code Help Pro

Sie nutzen einen Adblocker!

Bitte deaktivieren Sie den Adblocker. Auch ich muss Rechnungen bezahlen!

Powered By
Best Wordpress Adblock Detecting Plugin | CHP Adblock