Wann hast Du das letzte Mal ein Buch gelesen, bei dem Du so richtig lachen musstest? Das kannst Du wieder erleben: Schwaberliner – Kehrwoche auf dem Alexanderplatz ist die großartige Stimulation der allgemeinen Belustigung, auch wenn das Thema speziell ist. Eine Sammlung lustiger Erlebnisse, die sich mit dem Vergleich zwischen Berlin und Schwaben vergnügt. Dabei wird nicht an Stereotypen gespart, die nicht ausschließlich mit Witz entschärft werden.
Es war in den 90er Jahren, da kam ein junger Mann aus Schwaben nach Berlin. Also zunächst zog es die Vorhut der Schwabenwanderung nach Brandenburg. In einen Ort bei Berlin. Wie vielen Orten in Brandenburg nachgesagt wird, sie lägen bei Berlin, war der Anfang von Heerscharen an Eindrücken und Erkenntnissen, die sich dem jungen Schwaben vom Dorf aufdrängten. Der Kulturschock gepaart mit dem Anti-Stendhal-Syndrom, als die Skyline zur Landschaft wurde oder weil der Barock auf Brutalismus und Platte traf, überfuhr den jungen Schwaben in Berlin.
Natürlich wird ihm der schwäbische Dialekt, an deren Wörtern er nicht spart, zu Beginn seiner Zeit jenseits des ‚Kässpätzle Äquators‘ zum Los, denn das Hochdeutsche war ein Leistungssport. Das Schwäbisch, das beschwingt ausgeführt wird, bleibt selbstverständlich über die 110 Seiten ein Thema. Darunter auch die Frage, warum es im Schwäbischen problematisch sein kann, dass es an der Tür geläutet und nicht geklingelt hat und wie Hochdeutsch auf Schwäbinnen und Schwaben wirkt.
Verdient wird die Frage des Dialekts zu einem riesigen Fundus an Fröhlichkeit. Und auch auf das Berlin-Brandenburgische fällt ein erheiternder Blick, wofür auch hier einige Kostbarkeiten aus der Wortschatzkiste geholt werden. Weißt Du, was ‚Schmagadutschen‘ sind? Der Erstkontakt mit dem hiesigen Dialekt war:
„Det Jelumpe da? Det wees ick och nich. Da musste ma selber kieken, wa?“
Um das Bild des Schwäbischen abzurunden, werden in dem Buch die Beleidigungen und Flüche im Unterschied zu Berlin mit großem Spaß aufgearbeitet. Wusstest Du, dass „des Mensch“ in Schwaben eine Beleidigung darstellt? Es ist eine Frage der Betonung. Und schwäbische Flüche sollte man offenbar nicht unterschätzen:
„In Schwaben versteckt man sich vor den geldgierigen Heiligen Drei Königen, die Anfang Januar durchs Dorf ziehen und dann ungefragt die Rechnung für ihre unbestellten Dienste präsentieren, indem sie ihre Spendenbüchse vorstrecken. Für die weniger katholisch Gebildeten gesagt: Drei kostümierte Kinder kritzeln einen Fluch auf Deine Tür, und wenn sie kein Geld bekommen, bricht der Fluch des Stadtgesprächs über Dich und Dein Haus herein.“
Das Buch beschreibt auch den Beweggrund, ins Preußenland zu ziehen? Es war der Dienst für das Vaterland. Als Zivildienstleistender zog der Gott der Ironie den Schwaben von einem beschaulichen Dorf in ein noch “kleineres Dorf, allerdings in der Nähe von Berlin”. Dort traf er auf die 90er Jahre Nazis, die die Zivildienstleistenden an ihren langen Haaren ausmachten. Diese Geschichte berichtet davon, wie die Nazis den Zivis zeigten, wie sehr sie sie beneideten und warum ein Wachschutz Prioritäten setzen muss.
Aber er kam nicht nach Berlin, um den Kindern als Zivi ein zweifelhaftes Vorbild zu sein, sondern der Partykultur wegen. Das Buch kommt glücklicherweise nicht ohne Berlins Partys aus, von der Vielzahl an Menschen und vergleicht es mit der Party auf dem Bauernhof, wo man die immer selben 20 Leute traf, die dieselben Kassetten hörten und auf denen der Radio DJ auch gleich den Interpretin oder Interpreten und das Lied nannte. In den 90er Jahren gab es eben noch keinen Datenbankabgleich. Doch man sollte auch nicht die Anzahl oberschwäbischer Jugendlicher verachten, wie eine Story über eine oberschwäbische Hausabrissparty erzählt. Zum schwäbisch-ländlichen Partygebaren gehört auch die Gretchenfrage zum Auto und was das Schlimmste daran ist, wenn man am Wochenende den Fahrer stellt.
Immer wieder bringt der Vergleich zwischen Schwaben und Preußen auch Historisches zutage. In saloppen Dialogen, die an Sketch History erinnern, zeigt der Schwabe auf, wie willkürlich die Herkunft sein kann. Die Schwaben, einst in dem heutigen Berlin-Brandenburg beheimatet, zogen mit der Völkerwanderung nach Süden. Der oberste Adel von Brandenburg, die Hohenzollern, waren aber Schwaben. Das Gespräch zwischen Kaiser und Kurfürst, um zum Königtum Preußen zu werden, ist genauso lustig wie der Dialog zwischen Napoleon und dem schwäbischen Herzog, als dieser einen Level höher zum König aufstieg.
Die Spurensuche, warum die Kreuzberger Nächte so lang sind oder was eine schwäbische Sperrstunde bedeutete, sind Futter für den Humor. Warum ist der Vogel Berlins meist gehasstes Tier? Wenn man den Grund liest, muss man aus Erfahrung zustimmen. Etwas soziolustig geht es zu, wenn Berlin analysiert wird oder die kirchlichen Widersprüche aus dem katholischen Oberland im lachenden Hals kratzen. Ein Augenmerk liegt dabei auf der sogenannten Vorhölle, über deren Entstehung gekonnt spekuliert wird. Was ist in Berlin das Gottesvertrauen, das sich in Schwaben zweifellos anders äußert? In Schwaben steht die Tür immer offen, während man in Berlin wildfremden Menschen das Gepäck “mit Geld und allem” anvertraut, um kurz die Toilette aufzusuchen.
Das Buch “Schwaberliner – Kehrwoche auf dem Alexanderplatz” spricht die Lesenden direkt an und behandelt einige nicht gestellte Fragen der Lesenden. Das ist ein witzigen und ungewöhnlicher Teil des bereichernden Vergleichs der beiden Regionen. Auf einen Satz noch kurz zum Titel. Mit dem Schwabenhass in Berlin beginnt die Wurzelsuche und es stellt sich heraus, er ist weder Schwabe noch Berliner. Er wird zum Zombie zwischen den Welten:
„Okay, behalten wir dieses skurrile Bild im Hinterkopf. Aber nicht, dass Du später nicht mehr einschlafen kannst!“
Das Buch ist ein perfektes Geschenk für alle Schwäbinnen und Schwaben in Berlin und ihre Bekannten.
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