Der Fall der Brandmauer | Gedanken zur CDU und Merz
Ja, es ist historisch und ja, die Geschichte wiederholt sich. Und das Schlimmste daran ist, dass Merz denselben Fehler macht wie die Konservativen mit den Nazis. Weil, und jetzt kommt der Clou an der Geschichte, Merz nicht glaubt, dass er einen Fehler gemacht hat.
Die Bundestagsdebatte war hitzig, als hätte sie gar nicht in Deutschland stattgefunden. Das Thema mag in den Hintergrund getreten sein, aber es spielte im braunen Sumpf. Allein der Name: „Zustrombegrenzungsgesetz“ verdinglicht die Menschen, an deren Leiden wir uns damit laben. Ein Strom, es ist ein Fluss? Ein fließendes Etwas wie Energie? Es sind Menschen und die haben sicherlich keinen Spaß daran, nach Deutschland zu kommen. Niemand riskiert sein Leben mit einer quälenden Flucht aus der Heimat. Zu schnell ist der Friedhof Mittelmeer vergessen, während wir mit vollem Magen den wahren Problemen wie Klimawandel, soziale Fragen und Digitale Revolution die kalte Schulter zeigen; angezettelt von CDU und AfD. Die FDP ist erst später in diesen Zug eingestiegen.
Wer sich nur ein bisschen mit deutscher Politik, egal auf welcher Ebene, beschäftigt, stellt fest, dass sich sowohl die Antragsinhalte als auch das Abstimmungsverhältnis von CDU (und damit meine ich natürlich auch die böse Schwesterpartei CSU) mit der AfD seit je her überschneiden. Viele AfD-Abgeordnete, wie Gauland, waren mal in der CDU. Der Grund ist doch offensichtlich, sie wollen dasselbe. Nur die CDU blieb bislang auf dem Boden, wenn auch immer schon mit viel Mühe und vielen Fehltritten. Ihr Ziel ist Einigkeit und Recht und Freiheit für zwei Drittel auf Kosten des letzten Drittels. Die AfD will das für ein Drittel auf Kosten der anderen beiden Drittel. Das ist im Prinzip der Unterschied zwischen Rechts (CDU) und Rechtsradikal (AfD).
Fritze Merz im Interrollenkonflikt: Aber ich bin hier doch der Boss?!
Nun haben wir es bei Friedrich Merz mit einem bornierten Chef zu tun. Das war er doch sein Leben lang. Er war Chef. Er traf multimillionenschwere Entscheidungen und er ist sich sicher, dass er weiß, was er tut. Er glaubt tatsächlich, wenn die Einwanderung begrenzt wird, dann reduzieren sich die Kosten – und das ist es nämlich, worum es geht: Es geht hier nicht um Moral oder Menschlichkeit, der schnöde Mammon ist das Goldene Kalb. Und da weiß er, so glaubt er inbrünstig, was zu tun ist. Er ist nicht Vorstandschef von Black Rock, weil er sich da was dazwischenreden lässt. Er trifft die Entscheidung und die anderen leben damit. Er führt sein Amt als Firmenchef, nicht als Diplomat – was das Metier eines Politikers oder Politikerin besser beschreibt.
Aus diesem Grund sieht er keinen Fehler, denn er – Friedrich der Große – macht keine Fehler. Der Tagesschau-Sprecher kommentierte Merz‘ Gesichtsausdruck als Weigerung in sich hineinschauen zu lassen. Aber olle Fritz dachte genau das, was sein Gesicht aussagte: Ich versteh die Welt nicht mehr! Aus seiner Sicht liegt der Fehler, und das ist eine vielbeobachtbare Eigenschaft der Finanzelite, offenbar woanders. Das ist die Logik der Elite der weißen, reichen Männer.
‚Ich habe es doch nicht zu dem Reichtum gebracht, weil ich die Schuld auf mich genommen habe!‘
Sicherlich ist Merz in Teilen rechtsradikal. Aber vor allem ist er Opportunist. Das ginge als Linker in die Hose, deshalb sind Opportunisten meistens rechts. Doch Opportunisten sind besonders gefährlich, weil ihnen jede moralische Pflicht eine Last ist. Sie sind sich selbst ganz besonders die Nächsten, und das macht den gemeinsame Boden von AfD und CDU aus: Egoismus. Einem Opportunisten ist es egal, wie er seinen Willen durchsetzt. Das macht sie so gefährlich. Auch Trump ist Opportunist.
Daher wird Merzens selbstverständlich wieder mit der AfD eine gemeinsame Mehrheit finden. A) Er hat ja nichts Falsches gemacht und B) Die haben doch aus seiner Sicht völlig recht. Und C), wenn es ihm hilft, seinen Willen durchzusetzen, dann ist die Legitimität doch gegeben.
Auf ein Wort zur Migration
Und dann möchte ich einen Absatz an Inhaltlichem kurz einschieben. Ich weiß, gähn und so. Aber überlege bitte doch mal. Es geht darum, die Migration (die sowieso um 30 Prozent zum Vorjahr zurückgegangen ist) zu begrenzen. Wir brauchen doch Arbeitskräfte? Wir brauchen doch Zuzug, um die Renten wieder über die Beiträge zu finanzieren? Würden jedes Jahr 1,5 Millionen Menschen aus den USA, Frankreich oder Spanien zuziehen, hätten wir dann diese lächerliche Diskussion? Es geht darum, dass die Migration aus Menschen besteht, die die falsche Hautfarbe haben. Wir führen hier – übrigens auch die SPD und die Grünen, eine rassistische Diskussion. Die Betroffenen dürfen dabei noch nicht mal ihren Standpunkt vortragen.
Während des Antisemitismusstreits 1881 wurde in der Hitze des Gefechts nicht mehr in Abrede gestellt, dass der jüdische Glaube einen biologischen Hintergrund hätte. Ein Glaube hätte etwas mit Abstammung zu tun. Und so ist unser Diskurs gerade: Die Hautfarbe entscheidet in einem Land, in dem im Grundgesetzt steht, dass alle Menschen gleich sind, ob man zuwandern darf oder nicht. Das ist peinlich, wenn man es im Rückspiegel der Geschichte betrachtet.
Die rechten bis rechtsradikalen Kräfte haben es so oft gesagt, bis es nicht mehr widersprochen wird: Die [irreguläre (also die Geflüchteten, die nicht mit dem Flugzeug angekommen sind)] Migration muss verhindert werden. Der Grund variierte allein während meiner Lebensspanne: Mal stahlen uns ‚die Ausländer‘ die Arbeitsplätze, mal waren sie zu faul dafür. Wir führen schon lange einen rechtsradikalen Diskurs in der Asylpolitik.
Blick in die Zukunft
Was, wenn Merz jetzt keinen anderen Koalitionspartner findet. Was, wenn die AfD die stärkste Kraft wird? Wird Merz, der ja nichts falsch gemacht hat, nicht doch wieder den Opportunismus walten lassen? Der Wille zur Macht für einen, der immer entschieden hat, ist das Adrenalin des Extremsportlers, das Kokain des Süchtigen, der Reiz es Unsittlichen für Wolfgang Kubicki.