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Warum eigentlich Zeitenwende? Epochenwandel!

Es ist keinesfalls die Sprengung des Rahmens, wenn man in diesen Tagen von einer Zeitenwende redet. Dieser epochale Wandel nahm aber nicht erst vor drei Jahren seinen Lauf und es gibt bereits einen inoffiziellen Namen für die nächste Zeit – nämlich Postmoderne. Ausgerufen in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, löst sie als erster Teil einer neuen Epoche die Moderne ab. Zur Einteilung: Antike – Mittelalter – Moderne. Der erste Teil der Moderne war die Renaissance. Unsere Zeiteinheit ist wohl die Postmoderne, aber wie diese Epoche heißen wird, ist noch offen. Woran kann man den Epochenwandel festmachen? An historischen Vergleichen!

In der Geschichte der Menschheit, soweit die Forschung es uns zur Verfügung stellt, gibt es immer wieder epochale Brüche. Und diese Brüche verlaufen nicht selten nach einem ähnlichen Schema. Das Konzept ist natürlich nicht auf meinem Mist gewachsen und neu, wenngleich aktuell, ist es auch nicht.

Der Bruch der Geschichte beim Epochenwandel
Der Bruch der Geschichte beim Epochenwandel

Brüche im historischen Vergleich

Eine Epoche ändert sich, wenn lieb gewonnene Grundgewissheiten ins Schwanken geraten. Als das Mittelalter endete, standen da die Entdeckung Amerikas, der Buchdruck und die Reformation. Die Welt vergrößerte sich plötzlich um etwa ein Drittel, die Informationsgeschwindigkeit stieg rasant an und das 1000 Jahre alte Dogma der Kirche geriet ins Wanken. In unserer datenbasierten Zeit ist die Kommunikation besonders interessant. Der Buchdruck veränderte die Informationsübertragung wie heute das Handy und die Social Medias. Die Verbreitung durch Flugblätter erreichte mehrere Menschen unabhängig des Orts. Die heutige Kommunikationstechnik hat sich um ein Vielfaches potenziert, wie es auch die Postmoderne prägt.

Der Epochenwandel verändert das Bild des Menschen – in seiner eigenen Vorstellung. Und trotz der Frage: ‚wessen sonst?‘ braucht es einen Moment, die Umfänglichkeit dieses Umstands auszumachen. Sah man sich vorher als dick an, war man nun plötzlich schlank – obwohl sich nur die Perspektive änderte. Damit veränderte sich auch der gesellschaftliche Diskurs. Allmählich verließen Gott und die Frage nach dem gottgefälligen Leben das Zentrum. Nicht mehr die Bedürfnisse eines erfundenen Gottes wurden eruiert, sondern die des Menschen. Es dauerte noch bis ins 19. Jahrhundert bis zur Todesanzeige Gottes, denn der Bruch führte nicht sofort zum Wandel. Es geschieht allmählich, aber ein Bruch wird es allemal. So viele Gewissheiten pflastern den Weg des Menschen, die heute alle nicht mehr gelten.

Das Gefühl der Änderungen verbreitete sich kontinuierlich. Das Wissen darum hat sich längst verbreitet. Auch die Menschen zu Beginn der Moderne, die man als Renaissance bezeichnet, wussten es. Sie werteten ihren Teilabschnitt als Wiedergeburt (Renaissance) der Antike. Während das Jahrtausend dazwischen als das mittlere – und damit zum Mittel-Alter deklariert wurde.

Mittelalter, Moderne, Postmoderne – Die Geschichte wiederholt sich

Die Brüche, die Geschichte, die Merkmale der menschlichen Geschichte wiederholen sich. Man könnte fast von einem Schema bei gesellschaftlichem Verhalten (in Europa) sprechen. Daher müsste es von der Ideengeschichte rühren, welche die jeweiligen Epochen berühr(t)en.

Der Bruch vom Mittelalter zur Renaissance brachte so unglaublich viele Änderungen mit sich, dass – und das ist bereits ein Indikator – viele Menschen nicht mehr mitkamen. Sie fühlten sich abgehängt und wetterten gegen die Änderungen. Doch diese waren selbstverständlich nur mit Gewalt zurückzuhalten. Als politischer Arm gegen diese Veränderung entwickelten sich die Konservativen, die stets bemüht waren, das Mittelalter zu erhalten. Das Regierungssystem dieser Zeit, die Adels- und Kirchenherrschaft, sollte wegen der konservativen Kräfte noch lange gelten. Daher dauerte es bis zum 18. Jahrhundert bis zur Proklamation der Menschenrechte. Tatsächlich leiteten Bauern die erste Deklaration für allgemeine Rechte im 16. Jahrhundert von der Bibel ab. Ihre Ideen wurden im Bauernkrieg vor genau 500 Jahren brutal niedergeschlagen.

Zum Ende des Mittelalters, aber vor allem im 15. Jahrhundert bildete sich der Geldadel heraus. Die Fugger, die Medici oder die Hanse bringen sich mit Geld ins Spiel. Sie stellen eine neue Macht im Reich dar. Das Bürgertum kam erst viel später und die Arbeiter, vormals Knechte und Mägde, blieben bis ins 20. Jahrhundert außen vor. Mit der Loslösung von der Idee des frommen Lebens des Mittelalters entdeckt der Mensch die Naturgesetze und entwickelt die industrielle Revolution einläutende Dampfmaschine. Diese Entwicklung brauchte eine Sicht des Menschen als Maschine, nicht als Geschöpf Gottes. Und so behandelt der Mensch einander – entfremdet, objektiviert, entmenschlicht.

Was die Dampfmaschine, Verbrennungsmotor und das Telefon damals waren, sind in der digitalen Revolution die Computer, das Internet und bestimmt nicht als letzte Entwicklung, die Künstliche Intelligenz.

Warum diese Brüche?

Das ändert nicht nur unser Wissen, es ändert unsere Perspektive. Wenn eine Maschine denken kann, dann eröffnen sich neue Welten. Welche Auswirkungen wird das auf den Menschen haben? Welche auf Gott? Aber natürlich wird es Auswirkungen haben – auf alles, was da ist. Auch die Sprache. Im Jahr 1990 hätte das Wort ‚Google‘ niemandem etwas gesagt und ‚ChatGPT‘ war vor fünf Jahren kaum unter Tech-Fans ein Begriff. Die Gesellschaft ist einem ständigen Wandel unterlegen, der nicht aufgehalten werden kann. Das Aufhalten, das Konservieren, findet in diesen Brüchen – wie wir sie gerade sehen – seinen Grund.

In Teilen Europas wie in Deutschland herrschte der Adel trotz Moderne, wenn auch bereits eingeschränkt, noch bis ins 20. Jahrhundert. Das ist gerade etwas über 100 Jahre her. Bis heute ist die Abstammung vom Adel gleichbedeutend mit einem gewissen Grundkapital, vor allem durch Landbesitz. Sie verloren aber weitestgehend ihre politische Macht. Wer würde heute schon einen Kaiser über sich dulden, der in Gutsherrenmanier über das Leben der Leute befehligt? Die Entwicklung der Menschenrechte und der Freiheitsrechte gelang nur gegen die konservativen Kräfte in der Gesellschaft. Nun stehen die Persönlichkeitsrechte auf dem Tableau. Der lange Weg vom 16. Jahrhundert zu den heutigen Grundrechten ist von Leichen gepflastert – vom Bauernkrieg über den Dreißigjährigen Krieg über die Französische Revolution und den darauffolgenden zahllosen Kriegen des 18. und 19. Jahrhunderts in Europa bis zu den Weltkriegen. Kriege sind nicht selten auch Folge dieser Brüche, die Trolle der Zeitgeschichte sind. Dass der Bund mit den USA abbrechen würde, war vor wenigen Jahren gar nicht denkbar.

Es ist durchaus bemerkbar, dass sich die Geschwindigkeit der Veränderungen erhöht hat – genau wie das Tempo der Produktion, der Kommunikation und der Transport. Über 2,5 Millionen Jahre lebten wir in der Steinzeit vom Jagen und Sammeln, das Mesolithikum und das Neolithikum dauerten schon nur noch 4.000 Jahre. Die Antike dauerte 3.000 Jahre, das Mittelalter nur noch 1.000 Jahre und die Moderne hielt 500 Jahre.

Das Selbstbildnis des Menschen von sich selbst im Epochenwandel

Das Wissen über den Menschen, das Wissen über das Gute und wo man selbst steht – die Gewissheiten über die sexuelle Identität, die geforderten Persönlichkeitsfreiheiten – das alles steht angesichts des Epochenwandels zur Disposition.

Wo früher das gottgeziemende Leben unabdingbar war, ist heute Erfolg das Lebensziel. Der exemplifiziert sich am Kontostand. Wer erträgt heute noch ein Leben in Elend und Arbeit, nur um einen Platz im Himmel zu bekommen? Diese Gewissheiten sind heute so irrelevant, wie in 500 Jahren unsere Gewissheiten von Wirtschaftswachstum und Nationalstaaten verschwunden sein werden.

Ja, die Perspektive ändert sich. Die Vorstellung des Menschen von sich und seiner Stellung in der Ordnung der Dinge. Ein weiteres Beispiel ist die Idee von der Ausbeutung der Natur. Das war bis ins 20. Jahrhundert nichts Negatives. Im Gegenteil! Die Natur der Natur, so die europäische Vorstellung bis weit ins 19. Jahrhundert, sei dem Menschen zu dienen. Das klingt in unseren Ohren befremdlich. Gott schuf die Natur, so die Maxime, damit wir sie ausbeuten können. Aus dieser Idee kann natürlich kein Umwelt- oder Klimaschutz erwachsen. Und die Nachwehen dieser Vorstellung sind bis heute spürbar.

Wenn wir noch weiter zurückgehen, stoßen wir auf das mittelalterliche Bild des Menschen von sich selbst. Demnach leben wir nicht nur in Sünde, wir sind mit dem Teufel im Bunde und werden alle zur Hölle fahren. Allein die Todsünde der Eitelkeit müssen sich viele in Petrus Logbuch schreiben lassen.

Übrigens kann man sehr wohl auch unsere Sicht auf die Epochen damals als Beweis des Wesenswandels hernehmen. Die Statuen und Häuser und Tempel in der Antike waren nicht weiß – sie waren bunt angemalt. Die Erbauer der Pyramiden waren keine Sklaven und Frauen blieben in der Steinzeit keineswegs am Feuer und beim Kinderhüten. Unsere Sicht auf die Vergangenheit ist von unserem Weltbild, unserer Sicht auf die Menschen geprägt.

Damit ändert sich alles!

Das Selbstbildnis des Menschen ändert sich nicht nur durch den epochalen Wandel, er spiegelt sich in ihm. Denn mit dem Selbstbildnis ändern sich auch alle anderen Vorstellungen. Wenn der Mensch nun nicht an der Spitze der göttlichen Krönung steht und auch selbst nicht so recht zum Gott taugt, dann muss das ganze System von ‚Gut und Böse‘ von ‚Recht und Unrecht‘ und von ‚Richtig und Falsch‘ neu ausgehandelt werden.

Wann sich das Bild des Menschen wieder geändert hat, ist schwer zu fassen. Auch das Ende des Mittelalters wird nicht aufs Jahr genau benannt. Es endete im 15. Jahrhundert. Die Moderne endete im 20. Jahrhundert. Vielleicht war es die Entwicklung der Atombombe? Vielleicht die Entwicklung der Quantenmechanik? Vielleicht war es die Raumfahrt? Vielleicht war es auch die Digitalisierung? Vielleicht wird die heutige Epoche die Künstliche Epoche, denn die Künstliche Intelligenz hat definitiv das Potenzial für grundlegende Änderungen. Kunst, Landwirtschaft, Verkehr, Werbung, Propaganda – alles wird sich dadurch verändern. Diese Veränderung wird tiefgreifender sein als die Industrialisierung.

Die USA gehörten die längste Zeit dem Westen an. Der Untergang des Pax Americana ist – wenn man das Römische Imperium als Vorbild nimmt – ist das Ende des ‚Westens‘. Die Barbaren der Postmoderne werden die USA stürmen, wie unsere barbarischen Vorfahren die römischen Stellungen.

Die Trump’sche USA wollen das Rad der Zeit zurückdrehen. Daran werden die USA und der Westen zerbrechen. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr und auch das ist keine Überraschung. Russland griff die Ukraine an. Das war kein wirklich neues Verhalten, aber der Bruch vollzieht sich zuweilen auch geografisch von Georgien über Tschetschenien bis zur Ukraine. Israel griff Stellungen der UN an, vor einigen Jahren noch undenkbar.

Woher ich das habe?

Die Idee der Brüche, des Selbstbildnisses und der epochalen Analogien zur Veränderung hat der französische Philosoph Michel Foucault entwickelt. Seine Schriften sind in jedem Buchhandel käuflich erwerbbar und sehr zu empfehlen. Über die politischen Konsequenzen dieses Wandels geht es in „Postmoderne Zeitenwende“. Gleichfalls sehr zu empfehlen und auf der Seite Solidarisches.de kann man es kostenlos als PDF herunterladen. Darin wird genauer auf die philosophischen Aspekte eingegangen und wie es sich im Diskurs zur heutigen Situation entwickelte.

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